♡ Ängste und Traumata besiegen

Zusammenfassung: In diesem Text liest du, wie man Ängste und Traumata bei Kindern mit Hilfe einer simplen Technik gehirngerecht begleiten kann.


Wenn dich die Angst nicht mehr loslässt

Da wir mitten in der Innenstadt wohnen, wird bei uns im Park um die Ecke regelmäßig das Feuerwerk aufgebaut, das zu Dom-Zeiten (der Dom ist die Hamburger Kirmes) immer freitags abends gezündet wird. Um zu testen, ob alles richtig funktioniert, wird schon am Nachmittag dreimal laut geknallt, direkt neben dem voll besetzten Spielplatz. Auch ich war kurz nach der Geburt meines Jüngsten dort. Eine Megafon-Durchsage wurde vom Wind verweht und ich war in ein Gespräch vertieft, als auf einmal ein Schuss in alarmierender Lautstärke loskrachte. Einige Kinder fingen an zu weinen, mein Großer schrie vor Angst laut auf und klammerte sich panisch an mir fest. Auch wenn durchaus nicht alle Eltern nervös reagierten oder den Spielplatz fluchtartig verließen, geriet ich ein wenig aus der Fassung. Die letzte Terrormeldung gerade noch frisch im Kopf, schnappte ich die Kinder und gab Gas. Bloß ab nach Hause. Hilfe!

Doch schon am nächsten Tag hatte ich ein viel größeres Problem: Mein Großer wollte partout den Park nicht mehr betreten. Der laute Knall und nicht zuletzt meine eigene Verunsicherung und die überstürzte Flucht hatten ein kleines Trauma hinterlassen.
Der Arme litt sichtlich unter seiner Angst und zudem war es ziemlich unpraktisch, immer einen Bogen um diesen Park zu machen. Trotzdem wollte ich ihn auch nicht zwingen, denn das hätte wohlmöglich alles noch schlimmer gemacht. Glücklicherweise fiel mir diese Strategie aus der Hirnforschung ein:

"Erzähle die Geschichte!"

Um ein traumatisches Erlebnis zu verarbeiten, hilft es dem Gehirn, wenn die Geschichte des Ereignisses wieder und wieder erzählt wird. Dabei spiegelt man die mit dem Ereignis verbundenen Emotionen mit Gesichtsausdruck und Körpersprache. Ich erzählte meinem Sohn also folgende "Geschichte" (mein Sohn war damals ca. 2 Jahre alt, für größere Kinder und Erwachsene kann man es einfach etwas anpassen): "Im Park war ein Feuerwerk, ne?... Ja, das war gaanz laut... Bumm! Mensch, da hast du dich ganz doll erschrocken... Ohje, ja, das war wirklich laut... Und Mama hat sich auch erschrocken... Puh, da sind wir ganz schnell nach Hause gelaufen..."

Indem ich beschreibe, was passiert ist und dabei spiegele, wie er sich gefühlt hat, helfe ich ihm, sein Gefühl und die Situation zu erfassen. Ich nehme mir dabei für jeden Satz ausreichend Zeit und lasse ihn wirken. Dann beende ich meine Geschichte mit einem positiven Ausblick: "Aber weißt du was?... Danach, da war alles wieder ganz still... Und es ist gar nichts passiert... Feuerwerk ist laut. Da kann man sich doll erschrecken... Aber es ist gar nicht gefährlich. Es ist laut und dann wieder still. Das ist alles."

Diese Geschichte erzählte ich in den kommenden Wochen bestimmt zwanzig oder dreißig Mal. Doch nach und nach änderte sich seine Reaktion darauf: Erschien er bei den ersten Malen noch sehr verängstigt und den Tränen nahe, wurde ihm die Geschichte mit der Zeit immer vertrauter.  Er schien das Ereignis mehr und mehr rational einordnen zu können, bis er zuletzt auch bereit war, immer weiter in den Park hinein und damit zum Ort des Geschehens zurück zu gehen.

Ist das "Trauma" nur klein und ich bin in der Situation mit dabei, wirkt diese Methode oft erstaunlich schnell. Letztens z.B. fiel der Große beim Balancieren von der Mauer. Er hatte sich das Knie aufgeschlagen und wollte nicht wieder hoch. Ich tröstete ihn, indem ich ihn in den Arm nahm und ihm einige Male die Geschichte erzählte, wie er von der Mauer gefallen und sich weh getan hatte. Schon wenige Minuten später stand mein Kind wieder fröhlich auf der Mauer.

Bei großen Ängsten ist es natürlich nicht immer so leicht: Noch heute hassen wir beide die berüchtigten Testschüsse freitags im Park. Aber mittlerweile können wir die Angst gemeinsam beherrschen. Wir stellen uns ganz groß hin, atmen tief ein und aus, und erzählen die Geschichte...


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