♡ Von spannenden Begegnungen

Zusammenfassung: In diesem Text liest du die Geschichte einer Begegnung meines Sohnes mit einem behinderten Menschen, die sich von beängstigend zu berührend gewandelt hat.


Mama, ich hab Angst!

Mein Großer konnte das damals noch nicht sagen, aber seine Körpersprache war eindeutig. Ein riesiges Monstrum von Rollstuhl, ein finster dreinblickender Mann darin. Wir sind beim Friseur und warten. Der Mann im Rollstuhl ist vor uns dran. "Und, gefällt's dir, Frankie?" flötet die Friseurin fröhlich und hält ihm den Spiegel hin. Er stimmt undeutlich zu, offensichtlich ist auch sein Gesicht stark gelähmt. Mein Kind versteckt sich hinter meinen Beinen. Einen Moment bin ich unsicher. Was für eine blöde Situation. Wie verhalte ich mich denn jetzt?
Nichts sagen? Später erklären, wenn der Mann den Laden verlassen hat? Vielleicht sagen, "der Mann kann nicht laufen, deshalb hat er einen Rollstuhl."?

Wie soll ich mich bloß verhalten?

Mir fällt eine Dokumentation über behinderte Kinder und ihre Eltern ein, die ich vor einiger Zeit gesehen habe. Eine Mutter beschreibt darin die Reaktionen, wenn Kinder fragen, was mit ihrer Tochter nicht stimme. Die Blicke, die Verlegenheit, besonders der Erwachsenen, das Getuschel, "Komm hier weg", "Das sagt man nicht", "Das erkläre ich dir später".
Und ihren verzweifelten Wunsch, dass doch einfach mal jemand zu den Kindern sagt "Komm, wir gehen mal hin und sagen Hallo".
Ok, denke ich mir. Irgendwie kann ich das verstehen. "Höflichkeit" kann ganz schön einsam machen. Eng an mich gedrückt, aber irgendwie auch neugierig, schaut der Große mit mir gemeinsam rüber zu Frankie: "Hm, schau mal, der hat aber ein cooles Fahrzeug", sage ich. "Sollen wir zusammen rüber gehen und fragen, ob du es dir mal aus der Nähe anschauen darfst?"... Kurze Zeit später demonstriert Frankie mit versteinerter Miene, aber dennoch spürbar überglücklich, wieder und wieder die Blinkanlage an seinem Rollstuhl und mein Sohn strahlt vor Begeisterung übers ganze Gesicht.

Wie soll man sich gegenüber Menschen verhalten, die im Rollstuhl sitzen, blind, gehörlos, körperlich oder geistig behindert sind? Was ist mit Menschen, die anders aussehen, vielleicht eine andere Hautfarbe haben, Tattoos und Piercings, ausgefallene Kleidung tragen oder einen dicken Bauch, eine komische Frisur?
Was, wenn Kinder laut fragen, starren oder Angst haben? Ich habe keine Antwort auf diese Frage, schließlich sind Menschen und ihre Reaktionen sehr unterschiedlich. Aber ich lasse mich jetzt meist von meinem Kind leiten. Von seiner offenen Neugier, von seiner vorurteilsfreien Freude am Entdecken. Diese Einstellung scheint dann irgendwie auf mich und den Angestarrten "abzufärben". Es macht uns offener und zugewandter und ermöglicht manchmal so unvergessliche Momente wie diesen.

Zum Weiterlesen:
Gehirnfutter für Eltern: "Wer bestimmt?"

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Bilder: pixabay.com/de