♡ Bin ich zu inkonsequent?

Zusammenfassung: In diesem Text erfährst du, warum es ok ist, manchmal inkonsequent zu sein und wie man es richtig macht. Außerdem kannst du nachlesen, welche Art von Inkonsequenz man besser vermeiden sollte.

Der schlechte Ruf der inkonsequenten Eltern

Letztens stand ich mit meinem Sohn im Drogeriemarkt an der Kasse, in seiner Hand ein paar Süßigkeiten „für die Fahrt morgen“. Draußen vor dem Laden – mein Sohn verspeiste gerade einen Fruchtriegel – bekam ich natürlich prompt einen Kommentar dazu: „Ahja, für später, was?“ Tja, die Dame hatte Recht. Das war inkonsequent. Aber ist das eigentlich wirklich so schlimm? Und kann es nicht manchmal auch unfair sein, wenn ich um jeden Preis konsequent bin? Denn interessanterweise ist niemand wirklich immer konsequent. Und trotzdem verursacht Inkonsequenz Probleme in einigen, aber durchaus nicht in allen Eltern-Kind-Beziehungen. Es muss also mehr dahinter stecken. Ich unterscheide daher etwas genauer zwischen fairer und unfairer Inkonsequenz.

Nehmen wir folgendes Beispiel: Wir waren heute schon Eis essen und ich finde, es reicht mit Süßkram. Doch der kleine Teufel schmeißt sich auf den Boden, brüllt, tritt und wirft mit Gegenständen. „Schokolaade!!“

I Unfaire Inkonsequenz

Ich gebe genervt auf und verabreiche zähneknirschend und vorwurfsvoll ein Stück Schokolade. „Wenn du sonst keine Ruhe gibst...“

Wenn ich auf diese Art und Weise inkonsequent bin, ist das tatsächlich auf Dauer schädlich für unsere Beziehung. Das hat vor allem drei Gründe:

1. Schreien und Wutanfälle werden für mein Kind ein Mittel, seinen Willen zu bekommen. Es wird sie also vermehrt einsetzen.

2. Mein Kind ist von mir abhängig. Ständig muss ich Entscheidungen treffen, die für sein Wohlergehen und seine Zukunft von Bedeutung sind. So abhängig zu sein, fühlt sich einfach besser an, wenn derjenige, von dem ich abhänge, weiß, was er tut. Bei unfairer Inkonsequenz drehe ich die Verantwortung aber sozusagen „auf den Kopf“. Verantwortlich für den Ausgang der Situation ist auf einmal nicht mehr der Erwachsene, sondern das Kind, bzw. sein Verhalten. Das schafft Verunsicherung. Weiß Mama wirklich, was gut für mich ist? Mein Kind bekommt zwar, was es will (Schokolade), aber es bekommt nicht, was es braucht (Sicherheit und Führung).

3. Negative Gefühle gehören zum Leben dazu. Jeder Wutanfall ist deshalb eine wichtige Chance, den Umgang mit diesen Gefühlen zu üben. Wenn ich ständig nachgebe und damit versuche, mein Kind (oder mich selbst) vor negativen Gefühlen zu bewahren, tue ich ihm keinen Gefallen. Denn nur, wenn es die Frustration aushalten darf, lernt es auch, dass sie wieder vorbei geht. Nur durch Übung wird es immer besser damit umzugehen lernen und sich selbst immer effektiver regulieren. Lernt es das nicht, kämpft es weiter so verzweifelt um die Schokolade, wie der Säugling um die lebenserhaltende Muttermilch. Es wird zu einem „kleinen Tyrannen“. Das macht nicht nur allen anderen das Leben schwer, sondern vor allem dem kleinen Tyrannen selbst.

II Faire Inkonsequenz

Die Beziehung zu meinem Kind ist immer wichtiger, als jede Konsequenz. Ich bin nicht sklavisch daran gebunden, etwas um jeden Preis durchzuziehen, nur weil ich es einmal ausgesprochen habe. Ich kapituliere nicht vor dem Verhalten meines Kindes, gebe also nicht nach, „weil mein Kind schreit“, aber ich bringe mich auch nicht selbst in die Zwickmühle einer übertriebenen Vorstellung von Konsequenz, wie z.B. „Ohje, jetzt habe ich das gesagt, jetzt muss ich es auch durchziehen“ oder „Wenn ich das einmal durchgehen lasse, ist es für immer ein Problem“.

Der Unterschied zwischen fairer Inkonsequenz – die im Prinzip eine Art partnerschaftliche Flexibilität ist – und unfairer Kapitulation liegt darin, dass ich die Verantwortung klar übernehme. Meine Entscheidung wird nicht vom Verhalten meines Kindes gesteuert, sondern ist mein freier Wille. Idealerweise lenke ich daher schon ein, bevor mein Kind heulend auf dem Boden liegt. Aber auch wenn die Situation schon eskaliert ist, kann ich noch einlenken, ohne das Gesicht zu verlieren. Da ich mich dann aber tendenziell auf dünnerem Eis bewege, achte ich besonders darauf, deutlich zu machen, dass mein Sinneswandel nicht mit dem Wutanfall zusammenhängt. Da ist etwas Kreativität und schauspielerisches Talent gefragt.

Natürlich habe ich im Normalfall gute Gründe, „Nein“ zu sagen und es ist sinnvoll, auch dazu zu stehen. Aber wenn ich mich ab und zu anders entscheide, weil ich gemerkt habe, dass sich meine Entscheidung einfach doch nicht richtig anfühlt, oder weil ich vielleicht müde bin, oder weil die Situation eh schon stressig genug ist, oder, oder, oder, ...ist das in Ordnung. Ich entscheide, übernehme die Verantwortung und es wird unserer Beziehung nicht schaden.

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